Ausfall der Colonial-Pipeline zeigt Auswirkungen auf Raffineriebetrieb

Die Betriebsunterbrechung der Colonial Pipeline, die kurz vor dem Wochenende durch einen Cyber-Angriff auf den Betreiber des Pipeline-Systems erzwungen wurde, zeigt erste Auswirkungen auf den Raffineriebetrieb an der US-Golfküste.

So hat der Raffineriebetreiber Motiva Enterprises an seiner Raffinerie in Port Arthur (US-Bundesstaat Texas) zwei von drei Anlagen, an welchen Rohöl weiterverarbeitet wird, mittlerweile heruntergefahren. Die Raffinerie ist mit einer Kapazität von insgesamt 607.000 B/T die größte der USA. Der Raffineriebetreiber Total SE teilte unterdessen mit, man habe am gestrigen Montag die Benzinproduktion an der eigenen Raffinerie in Port Arthur wegen dem Pipeline-Ausfall gedrosselt. Die Raffinerie der Total hat eine Kapazität von etwa 225.500 B/T. Kleinere Seitenarme der Colonial Pipeline waren am gestrigen Montag bereits wieder hochgefahren. Colonial Pipeline Co. geht mittlerweile davon aus, dass man einen Großteil der Anlage bis Ende der Woche wieder in Betrieb nehmen kann.

Marktlage
Der bullishe Effekt, den die Abschaltung der Colonial Pipeline am Montagmorgen noch auf die Ölfutures gehabt hatte, wurde bereits am Montagnachmittag größtenteils wieder ausgepreist. Einerseits lag dies daran, dass man von einer baldigen Wiederinbetriebnahme der gesamten Anlage ausging, deren kleinere Verzweigungen bereits am Montag wieder hochgefahren waren.

Andererseits belasteten die Meldungen über erste Auswirkungen des Vorfalls auf den Raffineriebetrieb an der US-Golfküste. Da die Produkte, die für gewöhnlich von den Raffinerien in der Region an die US-Ostküste befördert werden, derzeit nur bedingt und langsamer verteilt werden können (beispielsweise durch Tankkraftwagen), haben die ersten Raffinerien bereits ihre Produktion gedrosselt. Die niedrigere Rohölverarbeitung bringt einen bearishen Faktor ins Spiel, der dem bullishen Faktor der potenziellen regionalen Produktengpässe entgegenwirkt. Derlei Engpässe könnten vor allem im Südosten der USA auftreten, wo beispielsweise die Benzinbestände zuletzt ohnehin schon auf dem niedrigsten Stand seit zehn Jahren waren. „Unterm Strich ist [der Pipeline-Ausfall] bullish für Benzin und Diesel an der Ostküste und bullish für Benzin aus Europa“, fasst Eric Lee von Citigroup die Auswirkung auf die Preise zusammen und weist darauf hin, dass für die Preise an der US-Golfküste das Gegenteil der Fall sei.

Wie sich die landesweiten Benzinvorräte in der vergangenen Woche entwickelt haben, dazu wird heute um 22:30 Uhr das API erste Daten liefern (Mittwochmorgen auf unseren Seiten), bevor der offizielle Bestandsbericht des DOE wie üblich am Mittwoch um 16:30 Uhr fällig ist. Analysten gehen in ersten Schätzungen davon aus, dass die Benzinbestände der USA in der Woche zum 7. Mai um 400.000 Barrel gesunken sind, was auf einen Anstieg der Nachfrage hindeutet. Die landesweiten Rohölvorräte sollen um 2,3 Millionen Barrel abgenommen haben. Am vergangenen Mittwoch hatte der Bericht des DOE einen leichten Anstieg der Benzinvorräte und eine rückläufige Nachfrage gezeigt, was dazu führte, dass der bullishe Einfluss der massiven Abbauten bei den Rohölvorräten an den Ölbörsen kaum zum Tragen kam.

Derweil macht die Impfkampagne in den USA jedoch weitere Fortschritte. Nach der Freigabe des Impfstoffes von BioNTec/Pfizer für Kinder ab 12 Jahren in den USA könnten dort schon ab Donnerstag die Impfungen für Kinder ab diesem Alter beginnen. Damit rückt auch das Ziel der vollständigen Rückkehr zum Schulalltag mit Präsenzunterricht näher.

Wie OPEC, EIA und IEA die Marktentwicklung angesichts der Fortschritte bei den Impfkampagnen, der vielerorts bereits umgesetzten Lockerungen der restriktiven Maßnahmen aber auch der weiterhin hohen Infektionszahlen in Indien einschätzt, werden die aktuellen Monatsberichte zeigen. Während die Berichte der OPEC und der EIA heute Nachmittag beziehungsweise heute Abend bekannt gegeben werden, steht der Bericht der IEA am Mittwochvormittag auf der Agenda. Der Bericht der OPEC dürfte dabei von den Händlern auch auf Hinweise abgeklopft werden, ob die Organisation weiterhin bei ihrem Standpunkt bleibt, dass der Markt das zusätzliche Öl der OPEC+ absorbieren kann.