Die OPEC sieht den Markt im kommenden Jahr etwas besser versorgt als noch im November. Allerdings bleiben die Unsicherheiten „hoch, hauptsächlich aufgrund der Entwicklung der Corona Pandemie, der Verteilung der Impfstoffe und den strukturellen Einflüssen des Verhaltens der Verbraucher, in erster Linie was den Transportsektor anbelangt“, so die OPEC.
Entsprechend wird die OPEC+ Gruppe nun auch wohl von Monat zu Monat neu entscheiden, wie man die Marktversorgung weiterhin steuern wird. Das Paradoxe daran: umso besser die Maßnahmen funktionieren und die Preise steigen, desto schwieriger wird die Zusammenarbeit der Gruppe, da dies die Attraktivität von Produktionssteigerungen erhöht und sich die Länder weniger strikt an die Vorgaben halten könnten.
Mit dem Beginn der Impfstoffkampagnen hat sich der Ausblick für die Ölnachfrage verbessert und damit auch die Stimmung unter den Tradern aufgehellt. Dieser Optimismus hat die Ölpreise seit Anfang November um ca. 33% nach oben getrieben. Doch kurzfristig stehen dieser Rallye neue Lockdowns gegenüber. Nach Deutschland werden nun auch die Niederlande einen harten Lockdown beginnen, während London ebenfalls das öffentliche Leben einschränkt und in New York ein „totaler Lockdown“ droht.
Zudem werden die Impfprogramme lange Zeit brauchen, bis diese wirklich einen ausreichenden Schutz bieten, sodass die Preisanstiege zuletzt eher Ausdruck einer mittelfristig optimistischen Haltung sind. Dementsprechend erwartet auch Analystin Vandana Hari, von Vanda Insights, dass „Rohöl gelegentlich Rückschläge verzeichnen kann, aber ich sehe keine größere Abwärtskorrektur. Ich gehe davon aus, dass die weitere Einführung von Impfstoffen auf der ganzen Welt in den kommenden Wochen und Monaten ein wichtiger, stützender Faktor bleiben wird“, so ihr Fazit.
Dieses Spannungsfeld sieht auch Analyst Andrew Lebow, von der Commodity Research Group. „Der Markt befindet sich zwischen Hoffnung und Realität. Ein Großteil dieser Rallye ist die Hoffnung, dass sich das Nachfragewachstum aufgrund der Verbreitung des Impfstoffs fortsetzt. Die Realität sieht so aus, dass die Lockdowns in Europa immer noch verschärft werden und jetzt in New York das Potenzial für Lockdowns besteht“, so seine Einschätzung.
Für Analyst Giovanni Staunovo, von der UBS Bank, bleibt der Weg zu einer vollen Erholung der Ölnachfrage „steinig“. Entsprechend ist in den kommenden Wochen weiter mit einer hohen Volatilität zu rechnen, wobei Gewinnmitnahmen durchaus möglich sind, je nachdem wie sich die Ausbreitung des Coronavirus und die Lockdowns entwickeln. Der Anschlag auf einen Öltanker in Saudi-Arabien ist dabei, wenn auch ein bullisher Faktor, eher als Randnotiz zu betrachten. Der Einfluss solcher Meldungen derzeit gering, erinnert aber auch daran, dass die Spannungen in der Region jeder Zeit wieder steigen könnten. Welche Auswirkungen dies haben kann sah man im September 2019, als ein Anschlag die halbe Rohölförderung der Saudis kurzzeitig lahmlegte.