Dämpfer nach DOE Daten – Gute Nachfrageaussichten stützen

Jüngsten Prognosen zufolge könnte der Kerosinverbrauch in den USA in den Sommermonaten um 30 Prozent höher liegen als im ersten Quartal 2021. Da sich das Land mit fortschreitender Impfkampagne immer mehr öffnet, nimmt auch der Flugverkehr im Land wieder Fahrt auf. Die Passagierzahlen der amerikanischen Fluggesellschaften waren schon seit dem letzten Jahr stetig gestiegen. Zunächst bedeutete der Nachfrageanstieg allerdings nur, dass die Flugzeuge wieder stärker ausgelastet waren. Inzwischen werden jedoch auch zusätzliche Flüge in den Flugplan aufgenommen, darunter viele Non-Stop-Flüge zu Freizeitzielen wie Florida oder den Nationalparks im Westen.

Die zusätzliche Reisetätigkeit bedeutet, dass es Lebenszeichen auf dem Kerosinmarkt gibt, der von der Pandemie im letzten Jahr am stärksten getroffen wurde. Laut der U.S. Energy Information Administration wird die Nachfrage nach Flugzeugtreibstoff im dritten Quartal voraussichtlich 1,47 Mio. B/T erreichen, mehr als 1,13 Mio. B/T im ersten Quartal und mehr als 50 Prozent höher als im Vorjahr. US-Fluggesellschaften verbrauchten im März 33 Prozent mehr Treibstoff als im Februar und erreichten damit das höchste monatliche Verbrauchsniveau seit März 2020, wie Zahlen des US-Verkehrsministeriums am Mittwoch belegten.

Allerdings wird sich zeigen müssen, wie nachhaltig die erwartete Erholung ist, denn um die Kerosinnachfrage wieder auf Vorkrisenniveau zu bringen reicht ein kurzer Anstieg der Ferienreisen im Sommer nicht aus. Dafür müsste auch die Menge der internationalen Flugreisen wieder zurück auf ihr altes Niveau kommen und vor allem die Anzahl der Geschäftsreisen wieder zunehmen. Diese liegt in den USA immer noch etwa 80 Prozent unter dem alten Niveau. Der Dachverband der amerikanischen Fluggesellschaften prognostiziert, dass der Flugverkehr sich erst 2023 wieder vollständig erholt haben wird und die Analysten der FGE rechnen damit, dass der globale Kerosinverbrauch erst 2024 wieder auf Vorkrisenniveau liegen wird.

Marktlage
Die bullishe Stimmung am Ölmarkt bleibt bestehen, allerdings scheinen die 70 Dollar bei Brent eine Hürde zu sein, die die Marktteilnehmer noch nicht überspringen wollen. So erreichten die Rohölfutures gestern zwar erneut neue Langzeithochs, doch dann nahmen die Trader – nicht zuletzt auch wegen der durchwachsenen DOE-Daten – lieber wieder einige Gewinne mit.

„Die Ölrpeise fielen als Reaktion auf die gestiegenen Benzinvorräte in den USA“, meinen etwa die Analysten der Commonwealth Bank of Australia, betonen aber gleichzeitig, dass ein stärkerer Preisrückgang ungerechtfertigt sei, da die Nachfrage in den USA weiterhin stark bleibe. Ähnlich sehen es die Experten der Citi Group: „Da die Impfkampagnen gut voranschreiten und sich für die Sommerfahrsaison eine Menge Nachholbedarf abzeichnet, bleibt die Nachfrage nach Treibstoffen robust und das Vertrauen des Marktes in die Erholungsgeschichte gestärkt“.

Allerdings sind nicht aller Marktbeobachter so uneingeschränkt optimistisch. So weist etwa Henrik Fung von Bloomberg Intelligence darauf hin, dass die Krise in Indien und die Erhöhung der OPEC+ Mengen durchaus zu einer Korrektur an den Ölbörsen führen könnte. Das Produzentenbündnis hat im Mai mit der schrittweisen Erhöhung ihrer Fördermengen begonnen, die bis Juli bei 2 Mio. B/T zusätzlich liegen soll. Gleichzeitig bricht mit Indien aktuell ein riesiger Absatzmarkt weg, da das Land von einer verheerenden zweiten Corona-Welle überschwemmt wird.

Auch Warren Patterson von ING sieht deshalb durchaus Marktunsicherheiten, die gegen einen übertriebenen Optimismus sprechen: „Das Scheitern bei Brent, die 70 Dollar zu durchbrechen, zeigt, dass es noch immer viele Sorgen über die Nachfrageaussichten gibt. Indien bereitet dem Markt Kopfzerbrechen, vor allem, wenn es am Ende doch zu einem landesweiten Lockdown kommt.“ Diesen hatte die indische Regierung bisher mit allen Mitteln zu verhindern versucht, doch da die Lage im Land sich weiterhin verschärft und das Gesundheitssystem längst an seine Grenzen gekommen ist, dürfte ein neuer, flächendeckender Shutdown sich kaum verhindern lassen.

Gleichzeitig bleiben die globalen Nachfrageprognosen weiterhin gut, da in anderen großen Volkswirtschaften ein Ende der Pandemie spürbar ist. Dies zeigt sich auch an der grundsätzlichen Marktkonstellation, die schon seit längerem wieder eine deutliche Backwardation aufweist. Diese Ausgangslage, bei der Ölfutures mit einer kürzeren Laufzeit teurer als Kontrakte mit einem längeren Ablaufdatum sind, gilt gemeinhin als Zeichen für eine knappere Versorgungslage in der Zukunft, die sich bullish auswirkt.

Warren Patterson fasst die Situation folgendermaßen zusammen: „Während wir für die zweite Hälfte des Jahres weiterhin eine sehr konstruktive Sicht auf den Markt behalten, glauben wir, dass er kurzfristig betrachtet – angesichts der vielen Risiken – ein bisschen zu überkauft ist.“