Der Monatsreport der IEA hat dem bullishen Markt der letzten Wochen etwas Wind aus den Segeln genommen. Die Experten sehen die Marktlage kurzfristig etwas bearish, da die Nachfrage im Vergleich zum letzten Quartal erst einmal sinken soll. Auch die Abwärtskorrektur der Ölnachfrage für 2021 bei einer gleichzeitig stärker erwarteten Ölproduktion außerhalb der OPEC, wird als eine klar bearishe Entwicklung gesehen.
Allerdings werden die bearishen Effekte vor allem in der ersten Jahreshälfte zum Tragen kommen. In der zweiten Jahreshälfte dürfte das Bild nach Ansicht der IEA wieder ein anderes sein und die Ölbestände weltweit deutlich sinken. Dabei ruhen die Hoffnungen vor allem auf einem raschen Anstieg der Ölnachfrage, wenn die Lockdowns nach dem Winter und mit einer umfangreichen Impfung aufgehoben oder zumindest signifikant gelockert werden können.
Der IEA Report spiegelt damit das Bild wider, das bereits seit einigen Wochen am Markt vorherrscht: kurzfristig ist der schlechte Nachfrageausblick bearish, langfristig ist hingegen mit einer knappen Marktlage und einer bullishen Entwicklung zu rechnen. Dies zeigt sich auch an der Backwardation Konstellation bei Brent, die sich immer weiter aufbaut und mittlerweile so stark wie zuletzt Ende Januar 2020, vor Ausbruch der Corona-Pandemie, ist.
„Es war eine lange, ununterbrochene Rallye, die eine Verschnaufpause nötig hatte,“ so Vandana Hari, von Vanda Insights. Sie glaubt, dass die nächste Aufwärtsbewegung ein Zeichen der OPEC+ Gruppe benötigt, dass man die Förderung im April nicht wieder kräftig anhebt, sondern an der Kontrolle des Angebots festhält. Auch bei Capital Economics sieht man die OPEC-Produktion als Schlüssel. Die Förderung der Gruppe werde mit den Kürzungen aus Saudi-Arabien und Libyen fallen und sollte den Markt in einem Angebotsdefizit halten, was die Preise an den Ölbörsen stütze.
Die aktuelle Preiskorrektur sieht Analyst Bob Yawger, von Mizuho Securities vor allem als Ergebnis einer technischen Korrektur. Während die Pandemie weiter auf dem Nachfrageausblick laste, sei der RSI zu stark und zu schnell gestiegen. Seit dem zweiten Irak Krieg sei der RSI nicht mehr derart überkauft gewesen, so Yawger.
Ungeachtet der Gewinnmitnahmen der letzten Tage verstärkt sich die Backwardation Situation bei Brent weiter. Bei Trafigura geht man daher davon aus, dass sich die Preise weiter nach oben bewegen, während die Citigroup ihre Preisprognose für Brent anpasst. Die europäische Rohölsorte könnte zum Jahresende 70 Dollar erreichen, so die Analysten der Großbank. Bei der EIA hingegen schätzt man den Markt noch deutlich anders ein und rechnet im 4. Quartal 2021 mit einem Durchschnittspreis von gerade einmal 52,00 Dollar, also rund 8 Dollar unter dem akteullen Niveau.
Die Marktlage bleibt weiter im Spannungsfeld von kurzfristig bearisher Nachfragesorgen und den Kürzungen der OPEC. Langfristig sehen die Experten den Markt hingegen tendenziell bullish, während auch die Backwardation Konstellation dieses Bild widerspiegelt. Nachdem der Monatsreport der IEA, der einen großen Einfluss auf die Börsen hat, allerdings bearish ausfiel, nehmen wir heute Morgen zunächst einen fundamental leicht bearishen Standpunkt ein. Mit den Gewinnmitnahmen von gestern Abend deuten sich damit heute Morgen Preisnachlässe für das Inland an.