Mehr Öl und weniger Nachfrage – Preise geben deutlich nach

Hatten die historisch hohen Förderkürzungen der OPEC+ noch im Sommer besser gewirkt als von manch einem Marktteilnehmer angenommen, so werden inzwischen immer mehr Zweifel laut. Nicht nur die Quotentreue einiger Mitgliedsstaaten, allen voran der Irak, hat der Organisation von Anfang an Schwierigkeiten gemacht. Auch jüngste Produktionssteigerungen aus dem Iran und vor allem Libyen bringen wieder mehr Öl auf den Markt und schüren die Sorgen der Marktteilnehmer, dass die aktuellen Kürzungen nicht ausreichen, um den Markt nachhaltig zu stabilisieren.

Gestiegene Exportzahlen aus Saudi-Arabien helfen nicht gerade dabei, das Vertrauen der Marktteilnehmer in die OPEC+ Maßnahmen zu stärken. Der Fokus richtet sich außerdem auch wieder auf Russland, das im Sommer – entgegen der sonst üblichen Salamitaktik bei Förderkürzungen– von Anfang an die Quoten eingehalten hatte. Doch nun hat das Land seine Förderung angeblich erhöht. Möglicherweise ist dies ein Hinweis darauf, dass der wichtigste Partner der OPEC nach Monaten der Konformität nun langsam wieder die eigenen Interessen in den Vordergrund rückt.

Auch die Nachfrageseite bietet weiterhin keinen rosigen Ausblick, da Corona alles bestimmend über den Märkten schwebt. „Die fundamentale Lage für Öl ist nicht gerade ermutigend, da das Angebot steigt und die Nachfrageaussichten düster aussehen“, fassen die Analysten bei ANZ die Lage zusammen.

Die Experten von Fitch Solutions gehen ebenfalls nicht von einer baldigen Preisrallye aus, rechnen aber auch nicht mit einer besonders scharfen Preiskorrektur: „Das hohe Maß an Ungewissheit für die Ölnachfrage und die bevorstehenden US-Wahlen bergen unzählige komplexe Risiken für die Ölpreise, während die Erholung in China und anderen wichtigen Märkten stützend wirken könnte“.

Victor Shum von IHS Markit geht von Preisschwankungen bis zum Ende des Jahres aus, rechnet aber damit, dass sich Brent bis zum Jahresende knapp über 40 Dollar wird halten können. Bezüglich der Nachfrageentwicklung meint er: „Wir gehen davon aus, dass die weltweite Ölnachfrage im vierten Quartal 2020 und im ersten Quartal 2021 stagnieren wird, bevor wirksame [Covid-19]-Impfstoffe zu neuem Nachfragewachstum führen können“.

Mehr Öl aus Saudi-Arabien, Libyen und auch Russland stehen schwache Nachfragedaten gegenüber. Raffinerien verarbeiten bis Mitte/Ende Oktober in der Regel weniger Rohöl und die Flugdaten zeigen, dass der Flugverkehr statt zuzunehmen nach den Sommerferien wieder nachlässt. Der 7-Tage-Durchschnitt der weltweit kommerziellen Flüge liegt aktuell bei 65.145, was einem Rückgang von -6,4% im Vergleich zum Hoch im September entspricht. Die Anzahl der Flüge ist damit wieder auf das Niveau von Anfang August zurückgefallen.