Über das Wochenende kam mit Tropensturm Sally, der sich über dem Atlantik zusammengebraut hatte, ein Faktor auf, der die Situation am Markt zumindest kurzfristig veränderte. Da sich Ölanlagen im Golf von Mexiko in der Zugrichtung des Tropensturms befinden und einige davon bereits evakuiert wurden, stützt Sally die Ölfutures zum Wochenbeginn leicht.
Zu einer Preisrally dürfte dies jedoch nicht führen, denn auch erste Raffineriebetreiber an der US-Golfküste haben im Hinblick auf Sally bereits Betriebsunterbrechungen angekündigt. Dies wird die Raffinerieauslastung, die nach Hurrikan Laura und zum Auftakt der US-Wartungssaison ohnehin schon auf niedrigem Niveau ist, noch weiter drosseln und die Nachfrage nach Rohöl beeinträchtigen.
Die Nachfragesorgen hatten in den vergangenen Wochen wieder deutlich zugenommen, nicht zuletzt auch weil die US-Benzinnachfrage in der US-Fahrsaison nicht die Erholung zeigte, die sich die Marktteilnehmer erhofft hatten. Der Rekordwert bei der Anzahl der Corona-Neuinfektionen weltweit innerhalb eines Tages (307.930), der am Sonntag von der WHO gemeldet wurde, dürfte die Sorgen hinsichtlich der Nachfrage weiter verstärken. Mit den USA und Indien zählten der größte und der drittgrößte Ölkonsument der Welt zu den Ländern, die den deutlichsten Anstieg der Neuinfektionen verbuchten.
Die Meldung, dass der Test des Impfstoffkandidaten des Pharmakonzerns AstraZeneca nun in Großbritannien wieder aufgenommen wird, nachdem sie aufgrund eines ungeklärten Krankheitsfalls bei einer Testperson unterbrochen worden war, dürfte die Sorgen der Marktteilnehmer aktuell nur bedingt beschwichtigen.
Unterdessen warten die Marktteilnehmer in dieser Woche auf die Monatsberichte von OPEC und IEA, die heute Nachmittag und am Dienstagmorgen veröffentlicht werden. Nach der EIA, deren Bericht bereits am vergangenen Mittwoch bekannt gegeben wurde, dürften auch OPEC und IEA ihre Nachfrageprognosen eher nach unten anpassen als nach oben.
Am Donnerstag tagt dann das Gremium der OPEC+ zur Kontrolle der Produktionskürzungen (JMMC) um über aktuelle Marktsituation und vor allem die Entwicklung des Angebots zu diskutieren. Diesbezüglich werden die Marktteilnehmer gespannt sein, ob Quotenabweichler Irak um eine Verlängerung für seine Kompensationskürzungen ersucht und ob angesichts der enttäuschenden Nachfrageentwicklung wieder stärkere Kürzungen zur Debatte stehen.
Diese könnten vor allem notwendig werden, sollten sich Meldungen aus Libyen bestätigen. Die US-Botschaft hatte am Wochenende angegeben, General Haftar habe sich dazu bereit erklärt, sich für die Wiedereröffnung des libyschen Ölsektors einzusetzen. Sollte sich dies bestätigen und nicht nur die Blockaden an den Exporthäfen vollständig aufgehoben sondern auch die Ölproduktion wieder aufgenommen werden, könnte dies dem weltweiten Ölangebot nach und nach wieder bis zu 1 Mio. B/T hinzufügen.