Die Besorgnis über ein erneutes Aufflammen der Corona-Pandemie weltweit hat die Ölmärkte in dieser Woche fest im Griff. Vor allem die nahenden Herbst- und Wintermonate befeuern die Angst vor neuen, unkontrollierten Covid-Ausbrüchen. In Europa steigen die Infektionszahlen schon jetzt alarmierend an und auch in den USA ist die Zahl der Todesfälle inzwischen fast bei 200.000 angekommen.
Lachlan Shaw von der National Australia Bank fasst zusammen: „Wenn das Virus wieder aufflammt, gehen die Regierungen wieder in den Lockdown und verhängen Beschränkungen. Sowohl die Bevölkerung als auch Unternehmen werden sich dann wieder zurückziehen. Das ist alles schlecht für die Nachfrage!“ So sieht es auch sein Kollege Peter McNally von Third Bridge: „Es gibt berechtigte Bedenken hinsichtlich der Nachfrage. Wenn es einen weiteren Lockdown gibt, werden die Lagerbestände wieder ansteigen.“
Die Sorgen scheinen nicht unberechtigt, denn viele Ländern beginnen inzwischen damit, die im Sommer gelockerten Corona-Beschränkungen wieder zu verschärfen. Neue, strikte Lockdowns sind dabei bisher jedoch die Ausnahme. Dennoch ist auch Analyst Howie Lee von Oversea-Chinese Banking besorgt: „Es besteht jetzt eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, dass es in verschiedenen Ländern zu Lockdowns kommt, die die Ölnachfrage weiter belasten würden“.
Die Wiederaufnahme der libysche Ölförderung sieht Lee dabei nicht als entscheidenen Faktor an, denn es sei ungewiss, wie schnell die Produktion tatsächlich wieder hochgefahren werden könne. Bill Farren-Price von RS Energy ist da optimistischer und rechnet mit einer schnellen Steigerung auf 500.000 B/T binnen einer Woche: „Die Feld- und Infrastrukturprobleme werden leichter zu lösen sein, sobald die Einnahmen wieder fließen. Es gibt militärische Probleme zu lösen, aber sie sind alle behebbar“.
Unter der drückenden Last einer durch neue Lockdowns wieder schwindenden Ölnachfrage und einer gleichzeitig steigenden Ölproduktion in Libyen tritt der eigentlich leicht bullishe Effekt des Tropensturmes Beta nahezu in den Hintergrund. Allerdings ist Beta im Vergleich verhältnismäßig harmlos, so dass nicht mit allzu großen und vor allem dauerhaften Beschädigungen der Anlagen gerechnet wird. Dennoch werden die Marktteilnehmer die Bestandsdaten in dieser und der nächsten Woche im Auge behalten. Sowohl Sturm Sally als auch Sturm Beta könnten in dieser und den nächsten Wochen möglicherweise für Verzerrungen bei den Daten sorgen.