Die erneuten Lockdowns in Kalifornien bereiten den Marktteilnehmern durchaus Sorgen, denn das wird den Ölverbrauch deutlich reduzieren, ist es doch immerhin der bevölkerungsreichste US-Bundesstaat. Vor der Pandemie wurden in Kalifornien pro Tag etwa 100.000 Barrel Benzin verbraucht. Während der Krise hatte sich dies im April etwa halbiert.
Die Maßnahmen in Kalifornien werden „sich auf die Nachfrage in den USA und auf Umwegen auch auf das Angebot auswirken. Ein guter Weg, um es auszudrücken, ist, dass Kalifornien für den Rest des Landes eine wichtige Rolle spielen wird“, so Analyst Robert Yawger, von Mizuho Securities. Folgen andere Staaten mit weiteren Lockdowns, wird dies zwangsläufig auf den Ölpreisen lasten, auch wenn die Nachfrage sicherlich nicht mehr ganz so deutlich wie im Frühjahr einbrechen wird.
Auf der anderen Seite wird die OPEC+ Gruppe ab kommendem Monat ihr Ölangebot wieder erhöhen. Erste Zahlen deuten allerdings daraufhin, dass die Gruppe ihre Förderung nicht um 1,9 Mio. B/T steigern wird, sondern eher in einer Größenordnung von 1,0 bis 1,1 Mio. B/T, da einige Länder ihre Förderung noch nicht im vollen Umfang anheben dürfen. Während einige Marktteilnehmer eine steigende Ölproduktion in Verbindung mit neuen Lockdowns kritisch sehen, rechnet Analystin Amrita Sen, von Energy Aspects, nicht mit größeren Problemen, denn schließlich gäbe es momentan ein Angebotsdefizit von 3 bis 4 Mio. B/T.
Für die Experten der ANZ Bank ist die Entscheidung der OPEC+ heute der größte Impulsgebe, die die „Stimmung für den Ölmarkt vorgeben wird“. Allerdings wird eine Entscheidung für eine Anhebung der Förderung ab August niemanden mehr überraschen, weshalb sich nach einer volatilen Anfangsreaktion der Effekt auch schnell verpuffen könnte. Für Howie Lee, von der OCBC ist die Produktionssteigerung der OPEC+ bereits eingepreist, sodass der Ölpreis vermutlich noch für eine Weile auf dem aktuellen Niveau bleiben wird. Dennoch sieht er Abwärtsrisiken, sollte sich die Situation mit dem Coronavirus weiter verschlechtern.
Somit warten die Marktteilnehmer heute auf die Entscheidung und Kommentare aus OPEC+ Kreisen sowie auf die US Ölbestandsdaten des DOE um 16:30 Uhr. Nach ihrem späten Anstieg bleiben die Notierungen an den Ölbörsen zunächst einmal auf höherem Niveau. Der Anstieg des Euro/Dollar-Kurses gleicht dies aber zum Teil aus, sodass sich bei den rechnerischen Inlandspreisen aktuell keine größeren Veränderungen abzeichnen.