Im Angesicht einer zunehmenden Ölnachfrage, nachdem die meisten Lockdowns auf der Welt gelockert wurden, bei einer gleichzeitig steigenden Anzahl von weltweiten Neuinfektionen, hat sich an den Ölbörsen in den letzten Wochen eine relativ enge Handelsspanne auf hohem Niveau gebildet. WTI pendelt dabei immer wieder um die 40 Dollar-Marke, konnte das Hoch bei 41,63 Dollar aus Ende Juni allerdings nicht mehr knacken.
So lange die Konjunkturdaten positiv ausfielen und immer besser wurden, konnten die Ölpreise zulegen. Denn das ist auch ein Zeichen, dass die Ölnachfrage sich erholt. Doch mit der wirtschaftlichen Lockerung breitet sich auch das Corona-Virus wieder vermehrt aus und sorgt so vereinzelt für neue Lockdowns. Das schnelle Ölnachfragewachstum verlangsamt sich rapide und limitiert so eben auch das Aufwärtspotenzial der Preise an den Ölbörsen.
„Der anhaltende Anstieg der [Neuinfektionen] in den USA sowie in Teilen Südamerikas, Afrikas und Zentralasiens könnte den Anstieg der Ölnachfrage sicherlich abflachen“, so Vandana Hari, von Vanda Insights. Noch bleibt eine Korrektur der Ölpreise allerdings aus, die laut Hari aber durch starke Bestandsaufbauten oder einen Nachfragerückgang in den USA ausgelöst werden könnte. Daher bleibt die US-Ölnachfrage bei den wöchentlichen US-Bestandsdaten sicherlich ein wichtiger Faktor.
Am Freitag nahm das von der Uni Michigan gemessene Verbrauchervertrauen im Juli zu Vormonat wieder ab. Für Analyst Phil Flynn von der Price Futures Group ein Zeichen, dass die Verbraucher wieder skeptischer und vorsichtiger werden. Es bestünde die Sorge, dass wenn die stützenden Maßnahmen der Regierung auslaufen, es zu einem „Rückgang im Einzelhandel und definitiv einem Rückgang beim [PKW-Verkehr] kommen wird, wenn die Menschen nicht arbeiten.“
Der Markt bleibt daher weiter in „Hab-Acht-Stellung“ bei der die Trader abwägen müssen, wie sehr sich die Ölnachfrage noch erholt, oder ob die neuen Lockdowns eventuell sogar zu einem Rückgang des Ölbedarfs führen. In diesem Zusammenhang wird spannend zu beobachten sein, ob die Produktionssteigerung der OPEC+ ab August vom Markt aufgenommen werden kann, oder diese nun genau zum „falschen“ Zeitpunkt kommt.
Für Analyst Edoardo Campanella von der Unicredit könnte die Entscheidung der OPEC+ Gruppe zu früh gefallen sein. „Die Angst, dass die ehrgeizigen Produktionskürzungen politisch nicht dauerhaft durchsetzbar sind, hat die OPEC+ wahrscheinlich dazu veranlasst, schnell zu handeln und den Bestandsüberhang bewusst zu ignorieren – der in der Pressemitteilung nicht einmal erwähnt wurde. Es wird bis zum Ende des ersten Halbjahres 2021 dauern, bis die Lagerbestände wieder auf das Niveau von Dezember 2019 zurückgehen. In diesem Szenario wird das Risiko einer geringen Quotentreue, einer zweiten Welle des Virus, die die Nachfrage erneut einbrechen lassen könnte, oder die Wiederbelebung der US-Schieferölproduktion nicht berücksichtigt.“
Die Futures an den Ölbörsen geben in den Morgenstunden nach und handeln damit unterhalb der Niveaus von Freitagmittag und Nachmittag. Der Euro kann seine Kursgewinne verteidigen und markiert zu Freitag sogar neue Hochs – wenn auch knapp. Das verbilligt das international in Dollar gehandelte Öl für Käufer aus der Eurozone, sodass sich für das Inland aktuell rechnerisch moderate Preisnachlässe andeuten.